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Beten - was für ein Geschenk! Aktualisiert am: 18.05.2021

Ein Pfarrer aus Graubünden spricht darüber, warum das Gebet ein Geschenk und die Gebetsmauer ein Segen ist.

«Betet ohne Unterlass,» schreibt der Apostel Paulus (1.Thess. 5.17). Das tönt nach einem Auftrag. Es ist aber in meinen Augen etwas viel Grösseres. Es ist Gnade, Geschenk. Ich muss es mir vor Augen halten: Der grosse Gott, der Himmel und Erde geschaffen hat und der dieses riesige Universum erhält, dieser Gott sagt: «Betet ohne Unterlass.» Das bedeutet: Er will, dass wir in der Stille seine Stimme hören, und er will selber unsere Stimmen hören! Er will, dass wir beten. Zu jeder Zeit sind wir gerufen zu beten. Er hört uns und hat Zeit für uns, immer. Er ist der Gott, der sich nach seinen Menschen sehnt, die er in seinem Bild geschaffen hat. Die sich von ihm abgewandt haben, die den Heimweg nicht mehr wissen, die ihren Schöpfer nicht mehr kennen.

Wir kennen seinen Weg, um seine Menschen zu suchen und zu finden: Abraham, den er von den Götzen weggeführt und zu sich gerufen hat. Das Volk Israel, das er sich gemacht, dem er sein Wort anvertraut hat, für das Volk und für die Welt. Und in dessen Mitte sein Sohn Mensch geworden ist, Jesus von Nazareth, geboren von einer Jüdin aus der Nachkommenschaft des Königs David. Jesus von Nazareth verbindet sich mit seinem Volk und durch sein Volk mit allen Menschen. Er, der Sohn Gottes, ist der «Sohn des Menschen» geworden und schämt sich nicht, die Menschen seine Geschwister zu nennen. Wer zu ihm kommt und sich auf ihn verlässt, darf zusammen mit dem Sohn Gottes zu Gott «Unser Vater» sagen.

 

Beim Vater sein!

Schauen wir Jesus an! Er hat gebetet. Immer hat er gebetet. Hatte er das nötig? Ich denke, er schüttelt den Kopf zu dieser Frage: Nötig? Was fragst du? «Der Vater hat den Sohn lieb und zeigt ihm alles, was er tut!» (Joh. 5,20) Beten, das ist doch beim Vater sein, auf den Vater schauen, auf den Vater hören. Keinen Moment hat Jesus anders gelebt. Nur mit dem Vater wollte er sein, das Tun des Vaters sehen, mit ihm wirken, nur in seiner Gemeinschaft leben und keine Handbreit von ihm weichen.

Und nun nennt er uns seine Geschwister und sagt: Auch du, mit mir, auch du sollst ganz mit dem Vater sein. Darum hat er uns den Weg zum Thron Gottes geöffnet. Dazu hat er uns mit seinem Blut gereinigt und ist unser Hohepriester geworden, der selber für uns beim Vater eintritt. «Er sitzt zur Rechten Gottes und vertritt uns.» (Römer 8,34) Er betet für uns. Heute.

 

Beten ist viel mehr als reden

Allezeit beten – durch Jesus Christus ist uns dieser Weg eröffnet. Was für ein Geschenk! Doch wie kann man das? Wir können doch nicht immer reden oder still meditieren! Nein, so hat es Gott auch nicht gemeint, denn beten ist viel mehr als reden und meditieren.

Stellen wir uns zwei Menschen vor, die einander lieb haben, die miteinander im Leben unterwegs sind. Reden sie stets miteinander? Sicher reden sie miteinander, aber nicht ununterbrochen. Sie essen und schlafen, arbeiten miteinander und achten aufeinander. Stets sind sie sich bewusst, dass das andere da ist, und weil sie einander lieben, spüren sie, was das andere freut. So soll unsere Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn werden!

 

«Ich bin Gebet»

Und nun darf eine Mauer aus Gebet in unserem Land entstehen. Eine Kette. Stets ist jemand am Beten in unserem Land. Denn nichts soll geschehen ohne Gebet. Im Kampf gegen die Amalekiter musste Mose stets beten, die Hände zu Gott ausstrecken. Die Israeliten erfuhren, dass der Sieg und ein gelingendes Leben nur betend erreicht werden kann. Und Mose erfuhr, dass er Unterstützung im Gebet braucht.

«Ich bin Gebet,» sagt David im Psalm 109,4b wörtlich. Der Herr Jesus konnte das von sich sagen. Wir dürfen dahin wachsen und einander zur Hilfe werden. «Betet ohne Unterlass!» Durch die Gebetskette stützen wir uns gegenseitig dabei. Immer ist eines da, das betet. Immer ist eines oder mehr als eines vor Gott, hörend, betend, für sein eigenes Leben, für die Kirchen und Gemeinden, für unser Land, für Israel, für die Welt mit den vielen Völkern. Dass wir das tun dürfen, das ist Gnade.

Florian Sonderegger
Pfarrer, Pany (GR)