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Ein Gebetstreffen mit Matthäus, Markus, Lukas und Johannes Aktualisiert am: 04.08.2021

Es ist fünf Uhr am Nachmittag. Die Gemeinde von Antiochia trifft sich zum Gebet. Viele neue Jüger sind gekommen, um die Lehre der Apostel zu hören - von ihnen, die ihnen ein paar Schritte voraus sind, weil sie Jesus persönlich gekannt haben oder mit seiner Lehre sehr vertraut sind. Die Gläubigen umarmen sich herzlich, tauschen Neuigkeiten aus über ihre Familien, das Wachstum der Glaubensgemeinschaft und die Hindernisse, denen sie begegnet sind, bevor Markus sie zur Ordnung ruft: «Meine Brüder, lasst uns bitte anfangen!»

«Aber» wirft Lukas ein, «ich habe noch nicht zu Ende erzählt von dieser Familie, die kürzlich ein Wunder erlebt hat im wunderbaren Namen unseres Herrn, die wir fast täglich besuchen und die sich uns, so denke ich, bald anschliessen werden.»

«Halb so schlimm, du kannst später zu Ende erzählen. Ehre sei Gott!»

Die Gläubigen setzen sich, wo sie gerade können, am Boden oder auf den Steinbänken in diesem grossen Haus eines reichen Jüngers, und die Apostel beginnen.

«In Jerusalem habe ich auch eine Hauskirche wie diese hier geleitet», berichtet Markus. «Wir haben zusammen gebetet, wie der Herr uns gelehrt hat: Abba, der du im Himmel bist, dein Name ...»

«Entschuldige» unterbricht ihn Lukas. «Aber in deinem Evangelium hast du das Vaterunser nicht aufgeschrieben. Warum nicht?»

Ein bisschen überrascht antwortet ihm Markus: «Aber das bedeutet doch nicht, dass es mir nicht wichtig ist. Alle kennen es auswendig, dieses Gebet. Im Übrigen, falls du aufmerksam gut gelesen hast, weisst du, dass ich sehr wohl über das Gebet geschrieben habe, fünf Mal!»

«Ja, ja, aber das ist nicht sehr viel, wenn man bedenkt, wie viel Jesus gebetet hat, immer und überall, für alles», antwortet Lukas. «Und das sagen ausnahmslos alle, mit denen ich darüber gesprochen haben.»

«Nicht allein die Quantität zählt», wirft Matthäus ein. «Übrigens, ich erinnere mich an den Tag, als wir Jesus gebeten habe, uns das Geheimnis des Gebets zu erklären, und er hat uns geantwortet: Betet nicht wie die Heiden, leiert keine leeren Worthülsen und Formeln runter ...»

«Voll und ganz einverstanden. Also los, hören wir auf mit dem Blabla und Predigten und beten wir jetzt!» ruft Markus.

«Warte, warte!» unterbricht jetzt Matthäus. «Sind wir uns einig über das Programm? Wer wird beten, in welcher Reihenfolge und für was? Wir brauchen eine klare Struktur», plädiert der ehemalige Buchhalter. «Liebe Jünger, das Wichtigste ist, unserem Vater für alles, was er tut, zu danken und treu zu beten, dass sein Königreich sich mehr und mehr offenbart - auf dieser Welt, in unserem Leben, in der Gemeinde. Dass die frohe Botschaft in den Nationen aufstrahlt. Es geht nicht darum, Gottes Willen unseren Wünschen gemäss zu verbiegen. Wenn wir für persönliche Bedürfnisse beten wollen, dann soll dies jeder in seinem eigenen Zimmer tun.»

«Ich bin einverstanden mit dir», antwortet Lukas. «Gleichzeitig kümmerte sich Jesus sehr um jeden einzelnen Menschen und seine Lebenssituation. Ich weiss, Matthäus, dass du schöne, sinnvolle Gebete magst, schöne Gebete in der Synagoge ...»

«Genauso wie jene, die wir unter uns in der Freiheit des Heiligen Geistes beten!»

« ... aber ... vergessen wir all jene nicht, die in ihren Schwachheiten, in ihren Trauerfällen, in ihren Krankheiten begleitet werden müssen und denen das Reich Gottes auf konkrete Weise näher gebracht werden muss.»

«Gut, gut. Beten wir jetzt? Genug geredet!» versucht Markus seine Kollegen zu unterbrechen.

Lukas erhebt sich und beginnt, von seinem Elan weggetragen, die Zuhörer zu evangelisieren. Er erzählt die Geschichte von Jesus und wie sich die Himmel geöffnet haben, wenn er gebetet hat, und er berichtet von Pfingsten, als sich der Himmel ebenfalls geöffnet hat. «Seht doch, all die, die er berührte, rettete und sammelte. All die Menschen, die weit weg waren, wurden nach und nach zu einem Volk, ob Juden oder Nicht-Juden, das spielt keine Rolle...»

«Amen, Amen!» bestätigt Markus - sowohl um seine Zustimmung zu geben als auch um seinen Freund zum Schweigen zu bringen.

«Und das Gebet hat all diese Werke begleitet», nimmt Lukas den Faden wieder auf. «Denn seht, das Gebet, das ist ganz einfach! Es bedeutet, dass wir mit dem Himmel in Verbindung treten, auf diesem Weg, den Jesus für uns geöffnet hat, in dem wir den Gott der Himmel «Vater» nennen ... Johannes, sag du es ihnen, du kannst so viel besser als ich über diese intime und tiefe Beziehung mit unserem himmlischen Vater lehren ... Johannes, bist du mit uns?»

Der Jüngste der vier Apostel hat tatsächlich noch nichts gesagt seit dem Beginn. Seine Augen sind halb geschlossen und zur Decke gerichtet, ein schönes Licht ruht auf seinem Gesicht. Alle Blicke richten sich nun auf ihn.

«Johannes?»

«Eh, was?»

«Nun, wir unterrichten die Jünger seit einer Viertelstunde über das Gebet ... und ... was ist deine Meinung dazu?»

«Aber, Freunde, ich bin seit einer Viertelstunde am Beten!»

Hinweis: dieser fiktive Text basiert auf dem, was und wie die vier Evangelisten in ihren Evangelien zum Gebet geschrieben haben.


Joël Reymond